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Turnierbericht Öppna DM Södermanland 2025

Mit einiger Verspätung folgt hier noch der Bericht von mir über ein kleines Tunier in Eskilstuna (Schweden), an dem ich letzten Monat mitgespielt habe.

Alte Liebe rostet nicht

In meinen Junggesellen-Jahren hatte ich einst unzählige Reisen nach Schweden unternommen und mir im Laufe der Zeit auch entsprechende Sprachkenntnisse angeeignet. Nachdem meine Familie mittlerweile aber Verwandte in Finnland hat, reisen wir, falls überhaupt, eigentlich nur noch dorthin, so dass ich nun schon viele Jahre nicht mehr in Schweden war. Daher reizte es mich ganz besonders, als ich vor einiger Zeit auf der Homepage des Schwedischen Schachverbands eine Turnierausschreibung für die Bezirksmeisterschaft Södermanlands fand. Das Turnier sollte nur zwei Tage dauern, vom 25. bis 26.10.2025, und da ich sowieso schon wieder mal auf dem Weg nach Finnland war, passte ich meine Reisepläne entsprechend an und baute einfach den „Umweg“ über das Schachturnier in Schweden mit ein.

Ein nettes Städtchen im Herzen Schwedens

Eskilstuna ist eine Stadt mit knapp 70.000 Einwohnern, benannt nach einem Heiligen namens Eskil – er war ein englischer Missionar. Die Stadt liegt grob 100 km westlich von Stockholm, zwischen zwei großen Binnenseen (Hjälmaren und Mälaren). Wer etwas mehr über die Stadt und ihre Geschichte wissen möchte, findet in der Wikipedia weitere Informationen (siehe unten bei Links).

Anreise mit Hindernissen

Leider verlief meine Anreise zum Turnier total chaotisch. Da die Deutsche Bahn es mal wieder schaffte, auf der Strecke von Ingolstadt nach Hamburg fast vier Stunden Verspätung aufzubauen, verpasste ich in Hamburg den Anschluss an den Schlafwagenzug der schwedischen Eisenbahn, so dass ich kurzfristig umdisponieren und am nächsten Morgen mit dem ersten Flugzeug nach Stockholm und von dort aus mit dem Zug nach Eskilstuna weiterreisen musste. Aber egal, das gebuchte Hotel direkt im Herzen des Städtchens war wunderbar gemütlich, und der erste Kontakt zum örtlichen Schachklub schnell hergestellt und sehr herzlich.

Der Schachklub

Der SK Eskilstuna fand im früheren Vereinslokal eines Fußballklubs seine Heimat, nachdem der Sportverein für sich ein anderes, größeres Klublokal gebaut hatte. Das alte, kleinere Vereinsheim teilt sich der Schachklub daher heute nur noch mit dem örtlichen Bridgeklub. Das wurde mir aber erst später klar, nachdem ich mich anfangs noch darüber gewundert hatte, wieso an den vier Wänden des Klublokals deutliche Schilder mit den Namen der vier Himmelsrichtungen angebracht worden waren – beim Schach braucht man die nicht, aber für Bridgeturniere sind diese Auszeichnungen wichtig.

Ein ungewohnter Turniermodus

Für die Offene Meisterschaft des Schachbezirks Södermanland war als Turniermodus eine Form ausgeschrieben, mit der ich so hier in Deutschland noch nie konfrontiert war, die ich aber durchaus für nachahmenswert halte: Das Turnier sollte 7 Runden nach Schweizer System umfassen, wobei die ersten vier Runden im Rapid-Format (10+5) und die letzten drei Runden als Partien mit langer Bedenkzeit (90+30) zu spielen waren. Dabei wurden von den Teilnehmern an Tag 1 alle vier Rapid-Partien sowie am Nachmittag zusätzlich die erste der drei langen Partien gespielt. An Tag zwei waren dann vormittags und nachmittags noch die zwei fehlenden langen Partien zu absolvieren. Alle 7 Partien wurden ELO-gewertet (Rapid- und Standard-ELO).
Dieses System hat bei näherer Betrachtung einiges für sich: Während klassische 7-rundige Open (z.B. unser eigenes AFRO) typischerweise ein Zeitfenster von vier Tagen erfordern, schafft man ein solches Kombi-Turnier wie oben beschrieben in nur zwei Tagen – es lässt sich also bequem auf jedes beliebige Wochenende legen. Dazu kommt noch, dass bei klassischen CH-System-Turnieren mindestens die erste Runde im Grunde oft eine Art Zeitverschwendung ist (außer man lost nach der FIDE-zugelassene Baku-Methode aus), da hier systembedingt stets Favoriten gegen Underdogs spielen. Dadurch sind diese langen Erstrundenpartien meist wenig gehaltvoll und weder für den Stärkeren noch für den schwächeren Spieler wirklich interessant. Es hat deshalb also schon einen gewissen Charme, zunächst einige Runden beschleunigt im Rapid-Modus spielen zu lassen, bis sich eine erste halbwegs aussagekräftige Rangliste herausgebildet hat, und die Spieler erst danach für die letzten paar Runden mit längeren Bedenkzeiten auszustatten, wo dann auch die wirklich harten Platzierungskämpfe stattfinden. Im Nachhinein wundert es mich eigentlich, dass diese Turnierform in Deutschland bisher völlig unbekannt zu sein scheint.

Der Verlauf

Am ersten Tag startete ich ganz gut. Aus den vier Rapid-Partien holte ich 2,5 Punkte, und auch die erste der drei langen Partien konnte ich gewinnen. Mit 3,5 aus 5 lag ich am Ende von Tag 1 auf Platz 6 von insgesamt 32 Teilnehmern. Dabei war mit GM Thomas Ernst aus Luleå sogar ein Großmeister mit im Teilnehmerfeld. An Tag 2 brach ich aber völlig ein und verlor beide langen Partien, so dass ich am Ende doch nur auf Rang 15 landete.

Endstand nach 7 Runden
Der Selfmade-Man

Mädchen für alles beim SK Eskilstuna ist FM Harald Lögdahl – er ist in einer Person Kontaktperson, Vorsitzender, Kassierer, Jugendleiter und Turnierorganisator. Daneben ist er auch noch ein durchaus starker Spieler. Und ein weiteres Talent entdeckte ich, als ich mich über das von ihm verwendete Auslosungsprogramm näher informieren wollte, denn dieses hatte ich noch nie zuvor irgendwo gesehen. Weithin Standard sind in Europa Swiss-Chess und Swiss-Manager, auch Vega und einige Exoten wie z.B. UTU Swiss hatte ich mir schon mal angeschaut, aber das hier? – Nun, Harald löste das Rätsel schnell, indem er mir erzählte, dass er das Programm selbst geschrieben habe und seit über 20 Jahren daran arbeite.

Fazit

Das Turnier war prima organisiert und hat mir riesig Spaß gemacht, vor allem weil unter den Teilnehmern eine sehr entspannte Atmosphäre herrschte und ich viele nette Gespräche führen konnte. Es ist unglaublich, wie schnell und intensiv man überall mit den Leuten ins Gespräch kommt, wenn man die Landessprache spricht und nicht ständig auf Englisch radebrechen muss. Zum Beispiel fragte mich auch der spätere Turniersieger GM Thomas Ernst intensiv nach allen möglichen deutschen Spielern aus, die er noch von früher kannte, wie z.B. den GMs Klaus Bischoff, Ralf Lau und Chrisopher Lutz. Nett war auch, dass es während des gesamten Turniers im Spielsaal reichlich Kaffee, Getränke und Knabberzeug zum Flatrate-Preis gab. Außerdem waren in den Vitrinenschränken des SK Eskilstuna einige sehr ansprechend gestaltete Trophäen, Pokale, Urkunden und interessante historische Zeitungsartikel ausgestellt. Ich glaube, ich bin nicht zum letzten Mal dort gewesen…

Die Kaffee- und Snacks-Ecke
Eindrucksvoll: Ein Schachpokal in Form eines Wikingerschiffs
Blick in den Turniersaal
Witziges Detail: Auch so kann man Störgeräusche verhindern…


Link zum SK Eskilstuna:
https://www.studera.com/schack/

Turnierbericht auf der Seite des Schwedischen Schachverbands (nur auf schwedisch):
https://schack.se/nyhet/distrikt-och-klubb/2025/10/thomas-ernst-vann-igen/

Wikipedia-Eintrag über Eskilstuna (deutsch):
https://de.wikipedia.org/wiki/Eskilstuna

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